Dass die Arbeitswelt vor einem massiven Umbruch steht, ist mittlerweile ist in Politik und Gesellschaft angekommen. Klar ist auch, dass die traditionelle 40-Stunden-Woche ausgedient hat, vor allem mit Anwesenheitspflicht. Das ist nicht nur unsere Erfahrung im Recruiting von Führungs- und Fachkarriere-Positionen. Aktuelle Umfragen und Studien bestätigen, dass immer mehr junge Menschen ihre Arbeitszeit reduzieren möchten. Für sie sind Vollzeitjobs nicht erstrebenswert, weil sie Arbeit und Karriere anders definieren als die Generationen vor ihnen. Liegt die Ursache im Strukturwandel der Arbeitswelt? Oder steckt dahinter der Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf?
Es gibt kaum noch eine Branche, die nicht Arbeitskräfte sucht. Natürlich können wir dem Fachkräftemangel auch damit begegnen, dass wir Arbeitszeit neu aufteilen, damit wir mehr Personal finden, oder alle einfach länger arbeiten, sprich mehr Arbeitsstunden in der Woche leisten und später in Rente gehen. Während für ältere Generationen Arbeitszeit immer noch ein Indikator für Leistung ist, weil sie es gewohnt sind, ihr berufliches Engagement über Präsenz zu zeigen und zu definieren, macht effizientes Arbeiten in kürzerer Zeit für junge Menschen mehr Sinn. Legen die Jungen mehr Wert auf ein Leben außerhalb der Arbeitswelt? Der Trend geht eindeutig in Richtung Work-Life-Blending, anstatt noch länger nach einem perfekten Ausgleich zwischen Job und Freizeit zu suchen. Denn das entspricht kaum noch der Arbeitsrealität. Weil die Digitalisierung die strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit verschwinden lässt, gilt es einen fließenden Übergang zu schaffen. Jenseits möglicher Nachteile wie ständiger Erreichbarkeit oder Leistungsdruck, überwiegt letztlich der Nutzen: Selbstbestimmung durch freie Zeiteinteilung, größere Flexibilität, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ein Arbeiten nach dem eigenen Biorhythmus, was die Produktivität steigert.
Der Trend am Arbeitsmarkt geht jedenfalls unaufhaltsam in Richtung Teilzeit. Studien zeigen, dass Menschen bei reduzierter Arbeitszeit glücklicher, leistungsbereiter, leistungsfähiger und zudem weniger krank sind. Vor allem aber belegen sie, dass Unternehmen, die bereits mit neuen Modellen Erfahrung haben, keinerlei Produktivitätsverlust feststellen und als Arbeitgeber an Attraktivität gewinnen. Wie viel Arbeit muss also sein? Wer mit Blick auf den Fachkräftemangel mehr Bewerber*innen möchte, sollte differenzierte Arbeitskonzepte in Betracht ziehen, die sich nicht an Präsenz, sondern an Produktivität orientieren und deshalb Teilzeit bei voller Entlohnung in Betracht einführen. Ein Modell für alle wird es sicher nicht geben, nicht nur, weil wir nicht alle Jobs und alle Branchen in einen Topf werfen können. Jedenfalls wird kein Weg daran vorbeiführen, Arbeitszeit und Arbeitsweise an die neue Arbeitsrealität anzupassen.
댓글